Mozarts Requiem und der Aufbau: Was hat Mozart geschrieben, was fehlt?

I. Introitus und Kyrie

Die Eröffnung ist komplett von Mozart. Das gilt für die Vokal-, wie für die gesamten Orchesterstimmen. Das Kyrie ist als Doppelfuge gestaltet: Die Chorstimmen plus Orchesterbass ist vollständig.

II. „Dies irae“

Die Sequenz ist bis zum „Lacrymosa“ von Mozart: Chor-/Vokalstimmen vollständig, dazu Orchesterbass plus motivischen Einwürfen.

-> Bereits Tage nach Mozarts Tod hat sein Schüler Franz Jakob Freistädtler die Orchesterstimmen des „Kyrie“ ausgeschrieben, während Franz Xaver Süßmeyer Trompeten und Paukenstimmen eigefügt hat. Erste fragmentarische Aufführung am 10. Dezember 1791 in der Michaelerkirche (Wien): Sicher nur Introitus und Kyrie.

Mozarts Handschrift bricht ab im „Lacrymosa“, nach acht Takten.

Das Fragment einer Amen-Fuge berücksichtigt Süßmeyer nicht.

III. Offertorium

Konzeption, Chor, Bass, gelegentliche Violinstimmen noch von Mozarts Hand. Die Manuskripte zeigen mindestens drei Handschriften (Mozart, Eybler, Süßmeyer). Damit enden die Beiträge Mozarts.

IV. Sanctus, Benedictus, Agnus Dei

Josef Eybler, der auf Konstanze’s Bitte die Partitur ursprünglich fertigstellen sollte, hatte nach kurzer Zeit die Arbeiten eingestellt. In der Folge hat Süßmeyer alle drei komplett selbst entworfen und ausgearbeitet, und zwar im Stil der Vorgaben für die damalige Kirchenmusik (Josef II, Liturgiereform…), vermutlich auch unter beträchtlichem Zeitdruck (Waldeggs Auftrag…)

V. „Lux aeterna“ und „Cum sanctis tuis“

Die Musik hier ist weider vollständig von Mozart: Süßmeyer hat im Lux aeterna auf das Introitus zurückgegriffen, während das „Cum sanctis tuis“ die Musik der Kyrie-Fuge wiederholt.

Uraufführungen: 2. Januar 1793 im Rahmen eines Benefizkonzerts für Konstanze Mozart und die Kinder, veranstaltet durch Gottfried van Suiten.
Die ersten Uraufführung im liturgischen Sinne: 14. Dezember 1793 im Zisterzienserstift der Wiener Neustadt – als Seelenmesse der Grfin von Walsegg.

Vervollständigung

Ein gewissen Jakob Weber, Herausgeber der Musikzeitschrift „Cäcilia“, veröffentlichte 1825 ein Pamphlet: Süßmeyer habe das gesamte Requiem aus Skizzen zusammengebastelt. Die Gegensätze, bspw. im Confutatis, und die „Gurgeleien“ der Kyrie-Fuge seien nicht ohne Prüfung zuzuschreiben.

Im nachfolgenden Streit kamen Mozarts Autographen an die Öffentlichkeit. Johann Anton André übernahm das Requiem in die ersten Gesamtausgabe.

Seit Ende des zweiten Weltkriegs reisst die Diskussion um die Vollendung von Mozarts Requiem-Partitur nicht ab. Bereits im 19. Jahrhundert gibt es Ergänzungsversucht. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gibt es mehrere Grundrichtungen:

  • Vorsichtige Anpassungen von Süßmeyrs Satzfehlern (Franz Beyer)
  • Erweiterungen des vorhandenen Materials (Robert Levin)
  • Neuschriften auf Basis von Mozarts thematischem Material (Levin, siehe unten)
  • Schwerpunkt auf Eyblers Ideen, weniger Fokus auf Süßmayr (H.C. Robbin-Landon)
  • Ergänzungen aus anderen Werken Mozarts (bspw. Hans-Josef Irmen, Parodie aus der Thamos-Oper Mozarts mit „Sanctus“-Text, und Amen-Fuge aus der „Vespera solennes de confessore“)
  • Radikale Schnitte und Streichungen (Richard Maunders, der quasi den kompletten Süßmayr verwirft)
Robert Levin: US-Musikwissenschaftler.
Quelle: Kronberg-Academy

Bis heute gibt es Kritik an Süßmeyers Ergänzungen. Die betreffen zum einen dessen Tonsätze, zum anderen die großräumige Architektur.

Robert Levin, amerikanischer Pianist und Musikwissenschaftler, stellt fest, dass jeder Block des Requiems mit einer Fuge schließen würde, wenn zwei Bedingungen erfüllt wären:

  • das „Amen“-Fragment müsste berücksichtigt werden
  • das Hosanna-Fragment müsste zu einer Fuge „auf Augenhöhe“ ausgearbeitet werden.
    Weil: Die Hosanna-Fuge zeige eindeutig, dass „Süßmeyr nicht in der Lage war, eine ordentliche Fuge zu komponieren […]“ (Vorwort zu seiner Carus-Partitur, 51.626/50, Seite VII).

Damit ergäbe sich, nach Levin:

  • Introitus – Kyrie-Fuge
  • Sequenz – „Amen“-Fuge
  • Offertorium – „Quam olim Abrahaem“-Fuge
  • Sanctus-/Benedictus – jeweils mit „ordentlicher“ 😉 Hosanna-Fuge
  • Lux aeterna – „Cum sanctis tuis“-Fuge



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