Kategorie: Allgemein

  • Mozarts Requiem und der Aufbau: Was hat Mozart geschrieben, was fehlt?

    Mozarts Requiem und der Aufbau: Was hat Mozart geschrieben, was fehlt?

    I. Introitus und Kyrie

    Die Eröffnung ist komplett von Mozart. Das gilt für die Vokal-, wie für die gesamten Orchesterstimmen. Das Kyrie ist als Doppelfuge gestaltet: Die Chorstimmen plus Orchesterbass ist vollständig.

    II. „Dies irae“

    Die Sequenz ist bis zum „Lacrymosa“ von Mozart: Chor-/Vokalstimmen vollständig, dazu Orchesterbass plus motivischen Einwürfen.

    -> Bereits Tage nach Mozarts Tod hat sein Schüler Franz Jakob Freistädtler die Orchesterstimmen des „Kyrie“ ausgeschrieben, während Franz Xaver Süßmeyer Trompeten und Paukenstimmen eigefügt hat. Erste fragmentarische Aufführung am 10. Dezember 1791 in der Michaelerkirche (Wien): Sicher nur Introitus und Kyrie.

    Mozarts Handschrift bricht ab im „Lacrymosa“, nach acht Takten.

    Das Fragment einer Amen-Fuge berücksichtigt Süßmeyer nicht.

    III. Offertorium

    Konzeption, Chor, Bass, gelegentliche Violinstimmen noch von Mozarts Hand. Die Manuskripte zeigen mindestens drei Handschriften (Mozart, Eybler, Süßmeyer). Damit enden die Beiträge Mozarts.

    IV. Sanctus, Benedictus, Agnus Dei

    Josef Eybler, der auf Konstanze’s Bitte die Partitur ursprünglich fertigstellen sollte, hatte nach kurzer Zeit die Arbeiten eingestellt. In der Folge hat Süßmeyer alle drei komplett selbst entworfen und ausgearbeitet, und zwar im Stil der Vorgaben für die damalige Kirchenmusik (Josef II, Liturgiereform…), vermutlich auch unter beträchtlichem Zeitdruck (Waldeggs Auftrag…)

    V. „Lux aeterna“ und „Cum sanctis tuis“

    Die Musik hier ist weider vollständig von Mozart: Süßmeyer hat im Lux aeterna auf das Introitus zurückgegriffen, während das „Cum sanctis tuis“ die Musik der Kyrie-Fuge wiederholt.

    Uraufführungen: 2. Januar 1793 im Rahmen eines Benefizkonzerts für Konstanze Mozart und die Kinder, veranstaltet durch Gottfried van Suiten.
    Die ersten Uraufführung im liturgischen Sinne: 14. Dezember 1793 im Zisterzienserstift der Wiener Neustadt – als Seelenmesse der Grfin von Walsegg.

    Vervollständigung

    Ein gewissen Jakob Weber, Herausgeber der Musikzeitschrift „Cäcilia“, veröffentlichte 1825 ein Pamphlet: Süßmeyer habe das gesamte Requiem aus Skizzen zusammengebastelt. Die Gegensätze, bspw. im Confutatis, und die „Gurgeleien“ der Kyrie-Fuge seien nicht ohne Prüfung zuzuschreiben.

    Im nachfolgenden Streit kamen Mozarts Autographen an die Öffentlichkeit. Johann Anton André übernahm das Requiem in die ersten Gesamtausgabe.

    Seit Ende des zweiten Weltkriegs reisst die Diskussion um die Vollendung von Mozarts Requiem-Partitur nicht ab. Bereits im 19. Jahrhundert gibt es Ergänzungsversucht. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gibt es mehrere Grundrichtungen:

    • Vorsichtige Anpassungen von Süßmeyrs Satzfehlern (Franz Beyer)
    • Erweiterungen des vorhandenen Materials (Robert Levin)
    • Neuschriften auf Basis von Mozarts thematischem Material (Levin, siehe unten)
    • Schwerpunkt auf Eyblers Ideen, weniger Fokus auf Süßmayr (H.C. Robbin-Landon)
    • Ergänzungen aus anderen Werken Mozarts (bspw. Hans-Josef Irmen, Parodie aus der Thamos-Oper Mozarts mit „Sanctus“-Text, und Amen-Fuge aus der „Vespera solennes de confessore“)
    • Radikale Schnitte und Streichungen (Richard Maunders, der quasi den kompletten Süßmayr verwirft)
    Robert Levin: US-Musikwissenschaftler.
    Quelle: Kronberg-Academy

    Bis heute gibt es Kritik an Süßmeyers Ergänzungen. Die betreffen zum einen dessen Tonsätze, zum anderen die großräumige Architektur.

    Robert Levin, amerikanischer Pianist und Musikwissenschaftler, stellt fest, dass jeder Block des Requiems mit einer Fuge schließen würde, wenn zwei Bedingungen erfüllt wären:

    • das „Amen“-Fragment müsste berücksichtigt werden
    • das Hosanna-Fragment müsste zu einer Fuge „auf Augenhöhe“ ausgearbeitet werden.
      Weil: Die Hosanna-Fuge zeige eindeutig, dass „Süßmeyr nicht in der Lage war, eine ordentliche Fuge zu komponieren […]“ (Vorwort zu seiner Carus-Partitur, 51.626/50, Seite VII).

    Damit ergäbe sich, nach Levin:

    • Introitus – Kyrie-Fuge
    • Sequenz – „Amen“-Fuge
    • Offertorium – „Quam olim Abrahaem“-Fuge
    • Sanctus-/Benedictus – jeweils mit „ordentlicher“ 😉 Hosanna-Fuge
    • Lux aeterna – „Cum sanctis tuis“-Fuge



  • Die Requiem-Texte und die Sybillinischen Orakel

    Die Requiem-Texte und die Sybillinischen Orakel

    Das Requiem („Missa pro defunctis“/Messe für die Verstorbenen) ist eine spezielle Form der katholischen Mess-Liturgie.
    In der Totenmesse fehlen Gloria und Credo des normalen Ordinariums. Anstelle des Gloria tritt die Sequenz „Dies irae“, vermutlich /vielleicht?…) aus der Feder des Franziskanermönchs Thomas von Celano (ca. 1190 bis 1260).
    Hier die Texte der Requiem-Liturgie in Mozarts Fassung.
    Bei Mozart fehlt das „In paradisum“,

    I Introitus:

    Requiem aeternam dona eis, domine,
    Et lux perpetua luceat eis.
    Te decet hymnus, deus, in Sion
    Et tibi reddetur votum in Jerusalem.
    Exaudi orationem meam.
    Ad te omnis caro veniet.

    II Kyrie:

    Kyrie eleison.
    Christe eleison.
    Kyrie eleison.  

    III Sequenz:

    1.
    Dies irae,
    dies illa                                                   
    solvet saeculum in favilla
    Teste David cum Sibylla *).
    Quantus tremor est futurus,
    Quando iudex est venturus,
    Cuncta stricte discussurus.

    2.
    Tuba mirum spargens sonum
    Per sepulcra regionem
    Coget omnes ante thronum.
    Mors stupebit et natura,

    Cum resurget creatura
    Judicanti responsura.
    Liber scriptus proferetur
    In quo totum continetur
    Unde mundus iudicetur.
    Judex , cum sedebit,
    – quidquid latet apparebit.
    Nil inultum remanebit.
    Quid sum miser tunc dicturus?
    Quem patronum rogaturus,
    Cum vix iustus sit securus?

    3.
    Rex tremendae majestatis,
    Qui salvandos salvas gratis,
    Salva me, fons pietatis.

    4.
    Recordare, Jesu pie,
    Quod sum causa tuae viae.
    Ne me perdas illa die.
    Quaerens me sedisti lassus,
    Redemisti crucem passus.

    Tantus labor non sit cassus.
    Juste judex ultionis,
    Donum fac remissionis
    Ante diem rationis.
    Ingemisco tamquam reus,
    Culpa rubet vultus meus.
    Supplicanti parce, deus.

    Qui Mariam absolvisti
    Et latronem exaudisti,
    Mihi quoque spem dedisti.
    Preces meae non sunt dignae,
    Sed tu, bonus, fac benigne
    Ne perenni cremer igne.
    Inter oves locum praesta
    Et ab hoedis me sequestra
    Statuens in parte dextra.

    5.
    Confutatis maledictis,
    Flammis acribus addictis,
    Voca me cum benedictis.
    Oro supplex et acclinis,
    Cor contritum quasi cinis,
    Gere curam mei finis.

    6.
    Lacrimosa dies illa
    Qua resurget ex favilla
    Judicandus homo reus.
    Huic ergo parce, deus,
    Pie Jesu Domine.
    Dona eis requiem. Amen.

    IV Offertorium:

    1.
    Domine Jesu Christe, rex gloriae,
    libera animas omnium fidelium defunctorum

    De poenis inferni
    Et de profunda lacu.
    Libera eas de ore leonis
    Ne absorbeat eas tartarus
    Ne cadant in obscurum
    Sed signifer sanctus Michael repraesentet eas
    In lucem sanctam
    Quam olim Abrahae promisti et semini eius.

    2.
    Hostias et preces tibi, domine, laudis offerimus
    Tu suscipe pro animabus illis
    Quarum hodie memoriam facimus.

    Fac eas, domine, de morte transire ad vitam
    Quam olim Abrahae promisti et semini eius.

    V Sanctus:

    Sanctus, Sanctus, Sanctus, Dominus Deus
    Sabaoth.

    Pleni sunt coeli et terra gloria tua.
    Hosanna in excelsis.

    VI Benedictus :

    Benedictus, qui venit in nomine domini.
    Hosanna in excelsis.

    VII Agnus Dei:

    Agnus dei, qui tollis peccata mundi,
    Dona eis requiem sempiternam.

    VIII Communio:

    Lux aeterna luceat eis, domine,
    Cum sanctis tuis in aeternum, quia pius es.
    Requiem aeternam dona eis, domine,
    Et lux perpetua luceat eis.

    I Introitus:

    Ewige Ruhe gib ihnen, Herr,
    und ewiges Licht leuchte ihnen.
    Dir, Gott, gebührt Lobgesang in Zion
    und dir soll das Gelübde erfüllt werden in Jerusalem. Erhöre mein Gebet.
    Zu dir wird kommen alles Fleisch.

    II Kyrie:

    Herr, erbarme dich.
    Christus, erbarme dich.
    Herr, erbarme dich.    

    III Sequenz:

    1.
    Tag des Zorns,                                               
    jener Tag
    wird das All in Staub auflösen,
    wie bezeugt von David und dem Sibyllischen Orakel *).
    Wieviel Zittern wird es geben,
    wenn der Richter erscheinen wird,
    alles streng zu prüfen.

    2.
    Die Posaune wird wunderlich erklingen
    durch das Gebiet der Gräber und

    wird alle vor den Thron zwingen.
    Der Tod und und die Natur werden erschauern,
    wenn die Schöpfung sich erheben wird,

    dem Richter Rechenschaft zu geben.
    Ein geschriebenes Buch wird erscheinen,
    in dem alles enthalten sein wird,
    was die Welt sühnen soll.
    Wenn sich dann der Richter setzen wird
    was auch immer im Verborgenen war, wird ans Licht kommen.
    Nichts wird unvergolten bleiben.
    Was werde ich Elender dann sagen?
    Welchen Anwalt werde ich erbitten,
    wenn der Gerechte kaum sicher sein kann?

    3.
    König von erzittern lassender Majestät,
    der du die zur Rettung Bestimmten errettest aus Gnade :
    Rette mich, du Urquell der Gnade.

    4.
    Gedenke, o treuer Jesus,
    dass ich der Grund bin für deinen Weg.
    Verdirb mich nicht an jenem Tage.
    Mich suchend hast du dich erschöpft,
    hast mich errettet, indem du das Kreuz erlittest.
    Solch grosse Mühe sei nicht vergeblich.
    Gerechter Richter der Vergeltung,
    schenke Vergebung
    vor dem Tag der Abrechnung.
    Ich seufze als ein Schuldiger,
    Schuld rötet mein Gesicht.
    Dem demütig Bittenden gewähre Schonung,
    Gott.
    Der du Maria vergeben hast
    und den Schächer erhört hast,
    hast auch mir Hoffnung geschenkt.
    Meine Bitten sind es nicht wert,
    aber du, Guter, lass Güte walten,
    auf dass ich nicht für ewig brenne im Feuer.
    Unter den Schafen weise mir meinen Platz zu,
    und lass mich von den Böcken getrennt sein,
    indem du mich zu deiner Rechten stellst.

    5.
    Abgewiesen die Verdammten,
    den Flammen ausgesetzt werden,
    dann rufe mich mit den Gesegneten.
    Ich bitte unterwürfig und demütig
    mit einem Herzen, das sich in Reue im Staub beugt,
    trag Sorge zu meinem Ende.

    6.
    Tränenreich ist jener Tag,
    an welchem auferstehen wird aus dem Staube
    zum Gericht der Mensch als Schuldiger.
    Gewähre ihm Schonung, Gott,
    treuer Herr Jesus.
    Schenke ihnen Ruhe. Amen.

    IV Offertorium:

    1.
    Herr Jesus Christus, König der Herrlichkeit,
    befreie die Seelen aller Gläubigen, die gestorben sind,
    von den Strafen der Hölle
    und vom abgründigen See.
    Befreie sie aus dem Rachen des Löwen,
    auf dass die Unterwelt sie nicht verschlinge,
    auf dass sie nicht ins Dunkel fallen,
    sondern der Heilige Michael, der Bannerträger, sie stellvertretend begleite
    in das heilige Licht,
    wie du einst Abraham verheissen hast und seinem Samen.

    2.
    Opfergaben und Bitten bringen wir dir, Herr, mit Lob dar:
    Nimm du sie auf für jene Seelen,
    derer wir heute gedenken.
    Gib, dass sie, Herr, vom Tod hinübergehen zum Leben,
    wie du einst Abraham verheissen hast und seinem Samen.

    V Sanctus:

    Heilig, heilig, heilig ist der Herr, Gott der Heerscharen.
    Voll sind Himmel und Erde von deiner Ehre.
    Hosanna in der Höhe.

    VI Benedictus :

    Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn. Hosanna in der Höhe.  

    VII Agnus Dei:

    Lamm Gottes, das du trägst die Sünde der Welt,
    gib ihnen die ewige Ruhe.

    VIII Communio:

    Ewiges Licht leuchte ihnen, Herr,
    Mit deinen Heiligen in Ewigkeit, denn du bist treu.
    Ewige Ruhe gib ihnen, Herr,
    und ewiges Licht leuchte ihnen.

    …Teste David cum Sybilla

    “Et mortis fatum finiet, trium dierum somno suscepto, tunc a mortuis regressus in lucem veniet primum resurrectionis initium ostendens”

    „Des Todes Schicksal wird er beenden, einen Schlaf von drei Tagen nimmt er auf sich, dann wird er von den Toten zurückkehren und an das Licht kommen und so den Beginn der Auferstehung anzeigen.“

    🏛️ 1. Ursprung und Entstehung

    • Begriff: „Sibyllinische Orakel“ (Oracula Sibyllina) bezeichnet eine Sammlung prophetischer Dichtungen in griechischen Hexametern, die angeblich von verschiedenen Sibyllen stammen.
    • Entstehung:
      • Früheste Teile: vermutlich 2. Jh. v. Chr. (alexandrinisches Judentum!)
      • Spätere Redaktionen und christliche Überarbeitungen: 1.–6. Jh. n. Chr.
    • Sprache: Altgriechisch (hexametrisch wie Homer oder Hesiod).
    • Überlieferung: 14 Bücher sind in Handschriften erhalten (Bücher 1–8 weitgehend vollständig, der Rest fragmentarisch). 👉 Sie sind nicht identisch mit den römischen „Sibyllinischen Büchern“ (die in Rom aufbewahrt und im 4. Jh. vernichtet wurden).

    Quellen:

    • J. J. Collins: The Sibylline Oracles of Egyptian Judaism (1974)
    • Textausgabe: Oracula Sibyllina, hrsg. J. Geffcken (1902, Leipzig)

    🕎 2. Inhalt – was steht wirklich drin?

    Die Bücher sind sehr uneinheitlich, aber sie haben gemeinsame Themen – und das macht sie für Christentum und Mittelalter so spannend.

    Hauptthemen

    1. Schöpfung und Weltalter
      • Kosmologische Mythen: Entstehung der Welt, Untergang und Erneuerung.
    2. Moralische Appelle und Bußpredigten
      • Mahnungen zu Rechtschaffenheit, Warnungen vor Götzendienst.
    3. Gericht und Apokalypse
      • Visionen vom Weltende, göttlichem Zorn, Feuergericht, Auferstehung, Endzeit-König.
    4. Messias-Erwartung
      • Besonders in den jüdischen und christlichen Überarbeitungen: Ankündigung eines Erlösers, Friedensreiches, manchmal mit erstaunlich christologischen Formeln (z. B. „ein Sohn Gottes wird kommen“).
    5. Kritik an römischer Dekadenz
      • Rom als Symbol der Gottlosigkeit (bei jüdischen Schreibern), später dann Umdeutung durch Christen.
    6. Eschatologische Szenarien
      • Feuer vom Himmel, Meer kocht, Sterne fallen – also dieselben Bilder, die später im „Dies irae“ auftauchen!

    ✝️ 3. Die jüdisch-christlichen Überarbeitungen

    • Ursprünglich jüdisch geprägt (wohl von Diaspora-Juden in Alexandria verfasst).
    • Ab dem 2. Jh. n. Chr. von Christen übernommen und erweitert:
      • Integration von Messias-Motiven.
      • Bezug auf Christus, Maria, Kreuz, Gericht, Auferstehung.
      • Beispiel aus Oracula Sibyllina VIII, 1–20: „Denn ein König wird aus dem Himmel herabkommen, der die Toten richtet, in Fleisch und Geist, …“ (Übers. nach Geffcken 1902)

    Das ist der Stoff, aus dem später die christliche Vorstellung einer prophetischen Sibylle wurde: eine Heidin, die das Kommen Christi und das Weltgericht vorhersagt.


    🕰️ 4. Rezeption im Mittelalter

    • Kirchenväter wie Laktanz (um 300 n. Chr.) zitieren die Sibylle ausdrücklich als Zeugin des Jüngsten Gerichts:
      • Laktanz, Divinae Institutiones 7, 19: „Sibylla testatur diem judicii venturum esse…“ → also: „Die Sibylle bezeugt, dass der Tag des Gerichts kommen wird.“
    • Augustinus zitiert sie ebenfalls in De Civitate Dei 18, 23, mit der Erklärung, dass Gott auch Heiden prophetische Einsicht gegeben habe. → Das ist der eigentliche Ursprung der Formel teste David cum Sibylla! Denn:
      • David = biblischer Zeuge (Psalmen vom Zorn Gottes).
      • Sibylle = heidnischer Zeuge (Oracula Sibyllina).
    • Im Hochmittelalter (z. B. in der Kunst der Kathedralen von Chartres oder Orvieto) erscheinen Sibyllen neben Propheten als „Zeugen“ des Heilsplans.
    • In der Renaissance greift Michelangelo das in der Sixtinischen Kapelle wieder auf: David und Sibyllen nebeneinander an der Decke.

    📜 5. Bedeutung für das 

    Dies irae

    Wenn also Thomas von Celano (oder wer immer der Verfasser war) um 1220–1230 die Zeile

    Teste David cum Sibylla

    einfügt, dann:

    • ist David biblisches Zeugnis (Psalm 96,13: „Denn er kommt, zu richten die Erde“);
    • ist die Sibylle heidnisches Zeugnis, das schon seit Augustinus und Laktanz theologisch legitimiert war;
    • und der Dichter nutzt beides, um das Endgericht als universale Wahrheit zu präsentieren — bezeugt von Schrift und Natur (bzw. Heidenwelt).

    Aus dem Propheten Zephania (Kapitel 1):

    2 Ich will alles aus dem Lande wegnehmen, spricht der HERR.

    3 Ich will Menschen und Vieh, Vögel des Himmels und Fische im Meer wegnehmen samt den Ärgernissen und den Gottlosen; ja, ich will die Menschen ausreuten aus dem Lande, spricht der HERR.


    13 Und ihre Güter sollen zum Raub werden und ihre Häuser zur Wüste. Sie werden Häuser bauen, und nicht darin wohnen; sie werden Weinberge pflanzen, und keinen Wein davon trinken.

    14 Des HERRN großer Tag ist nahe; er ist nahe und eilt sehr. Wenn das Geschrei vom Tage des HERRN kommen wird, so werden die Starken alsdann bitterlich schreien.

    15 Denn dieser Tag ist ein Tag des Grimmes, ein Tag der Trübsal und Angst, ein Tag des Wetters und Ungestüms, ein Tag der Finsternis und Dunkels, ein Tag der Wolken und Nebel,

    16 ein Tag der Posaune und Drommete wider die festen Städte und hohen Schlösser.

  • Rätsel um Mozarts Requiem

    Rätsel um Mozarts Requiem

    Bachs „Kunst der Fuge“, Bruckners 9. Symphonie, Mozarts Requiem: Unvollendete späte Werke haben seit jeher die Fantasie der Nachkommenden angeregt. Wie sind die letzten Takte entstanden? Was geht einem Genie durch den Kopf, kurz vor dem eigenen tod, mitten im Schreiben?

    Milos Formans Filmdrama „Amadeus“ aus dem Jahr 1984 fasst die Szene in Bilder – das Titelbild dieses Beitrags ist ein Szenenfoto aus dem Film (mit Tom Hulce als Wolfgang Amadeus Mozart und Fahrid Murray Abraham als Antonio Salieri.)

    Der Youtuber Martin Gonzalez hat auf, wie ich finde, Mozarts Innenwelt auf brilliante Art und Weise in Bildern eingefangen.

  • Mozarts wirtschaftliche Situation

    Mozarts wirtschaftliche Situation

    War Mozart verarmt?

    Für die Jahre zwischen 1788 und 1791 lassen sich Mozarts Einnahmen gegen die Ausgaben abschätzen. Die folgende Tabelle bietet eine Schätzung aufgrund aktueller Quellen der Mozartforschung (Liste unten).

    👉🏽 Alle Werte sind in Gulden Wiener Währung gegeben.

    PositionQuelle / KontextGeschätzter Betrag
    Wohnung (Alsergrund / Landstraße)Mietverträge u. a. nach Lorenz, Mozart’s Apartments in Vienna (2006)200–300 fl/Jahr
    Bedienstete (1 Dienstmädchen, ggf. Lehrjunge)zeitgenössische Haushaltsrechnungen150–200 fl/Jahr
    Kleidung, Wäsche, ReparaturenDurchschnitt bürgerlicher Haushalt; Mozart erwähnt Schneiderkosten100–150 fl/Jahr
    Lebensmittel / Wein / GästeHaushaltsdurchschnitt der mittleren Schicht; Mozarts Geselligkeit ist bekannt300–400 fl/Jahr
    Kutschen, Reisen, Unterrichthäufige Fahrten (z. B. Baden, Prag), Schülerbesuche100–200 fl/Jahr
    Musikmaterial / Notenkopien / Instrumentebelegte Zahlungen für Kopisten und Papier100–150 fl/Jahr
    Schuldenzinsen / Rückzahlungen (v. a. an Puchberg)Schätzungen nach den Briefenca. 150 fl/Jahr

    ➡️ Gesamtausgaben pro Jahr: rund 1 100 – 1 500 Gulden

    also 90 – 125 fl pro Monat.

    Maria-Theresia-Taler. Quelle: Geschichte der Stadt Wien

    Die Einnahmen im Vergleich dazu

    Kaiserliches Hofgehalt: 800 fl jährlich (~ 66 fl/Monat)

    Unterricht: 300–400 fl jährlich (nicht konstant)

    Aufführungen / Aufträge (Opern, Tänze, Messen): stark schwankend

    – 1791: Tito (1 000 fl), Zauberflöte (Anteil an Einnahmen, unklar), Requiem (Teilsumme von Walsegg, 50 fl Vorschuss belegt)

    ➡️ Summe der Einnahmen: In guten Jahren 1 200–1 600 fl, in schlechten deutlich weniger.

    📉 Ergebnis / Bilanz

    • Selbst im „normalen“ Jahr lag Mozarts Haushaltsbudget auf Kante genäht.

    • Bei Krankheit, ausgefallenen Konzerten oder verspäteten Zahlungen geriet er sofort in Liquiditätsprobleme.

    • Das erklärt die Dringlichkeit seiner Bitten an Puchberg und die mehrfachen Hinweise auf „Mangel an barem Gelde“.

    Primärquellen und Belege

    • Otto Erich Deutsch (Hg.): Mozart. Dokumente seines Lebens, Nr. 1077–1100 (Puchberg-Briefe).

    • Michael Lorenz: Mozart’s Apartments in Vienna, Acta Mozartiana 53/2 (2006).

    • Neal Zaslaw (Hg.): The Classical Era: From the 1740s to the End of the 18th Century, 1989.

    • H. C. Robbins Landon: Mozart: The Golden Years 1781–1791, Kap. 8 f.

    • Dexter Edge: Mozart’s Finances Reconsidered (Cambridge University Press, 2021).

    Quelle des Beitragsbildes: Brief Mozarts vom Juni 1788 an Michael Puchberg. Mozarteum, Salzburg.

    Übersetzung:

    Verehrungswürdigster O:. b:.
    liebster bester freund! –

    Ich habe imer geglaubt dieser tagen selbst in die Stadt zu komen, um mich
    beÿ ihnen wegen ihrer mir bewiesenen freundschaft mündlich bedanken zu können
    – Nun hätte ich aber nicht einmal das Herz vor ihnen zu erscheinen, da ich ge=
    zwungen bin ihnen freÿ zu gestehen, daß ich ihnen das mir geliehene ohnmöglich
    so bald zurück zahlen kann, und sie ersuchen muß mit mir geduld zu haben! –
    daß die umstände dermalen so sind, und Sie mich nach meinem Wunsch nicht
    unterstützen können, macht mir viele Sorgen! – Meine laage ist so, daß
    ich unumgänglich benöthiget bin, geld aufzunehmen. – aber gott, wem soll ich
    mich vertrauen? – niemanden als ihnen, mein bester! – wenn Sie mir
    nur wenigstens die freundschaft thun wollen, mir durch einen andern weg
    geld zu verschaffen! – ich zahle Ja gerne die Interessen note, und derjenige
    der mir lehnt, ist Ja durch meinen karacter, und meine besoldung note glaub‘ ich
    gesichert genug; – es thut mir leid genug, daß ich in diesem falle bin –
    – eben deswegen wünschte ich aber eine etwas ansehnliche Sume auf einem
    etwas längeren termin zu haben, um einem solchen falle vorbeugen
    zu können. – wenn Sie, liebster br:. mir in dieser meiner laage nicht
    helfen, so verliere ich meine Ehre und Credit, welches das einzige ist,
    was ich zu erhalten wünsche; – ich baue aber ganz auf ihre ächte freund=
    schaft und br:. liebe, und erwarte zuversichtlich daß sie mir mit rath und
    that an die hand gehen werden; – wenn mein wunsch in erfüllung geht so
    kann ich freÿ odem schöpfen, weil ich dann im Stande seÿn werde mich in
    ordnung zu bringen, und auch darin zu erhalten; – komen Sie doch
    zu mir, und besuchen sie mich; ich bin imer zu hause; – ich habe in den 10
    tagen daß ich hier wohne mehr gearbeitet, als im andern logis die 2
    Monathe; und kämen mir nicht so oft so schwarze gedanken |: die ich mir mit
    gewalt aus=schlagen muß 😐 würde es mir noch besser von statten gehen;
    denn ich wohne angenehm, – bequem – und – wohlfeil. – ich will sie nicht
    länger mit meinem Gewäsche aufhalten, sondern schweigen und hoffen; –
    Ewig ihr verbundener Diener
    den 27: Juny: 1788. wahrer Freund und O:. b:.
    W. A: Mozart mp

  • Konstanze Mozart (1762-1842)

    Konstanze Mozart (1762-1842)

    🧭 Herkunft  und  Ehe

    • Geboren 1762 in Zell im Wiesental, aufgewachsen in Mannheim und Wien.
    • Tochter von Fridolin und Cäcilia Weber. Schwestern: Aloysia, Josepha, Sophie.
    • Heirat mit Wolfgang Amadeus Mozart am 4. August 1782 in Wien (St. Stephansdom)
    • Vater Leopold Mozart war anfangs skeptisch („Weberische Familie leichtsinnig“),
      später versöhnlicher.
    • Kinder: sechs insgesamt, nur zwei überlebten:
      Karl Thomas (1784–1858) und Franz Xaver Wolfgang (1791–1844).

    ❤️ Eheliche Beziehung

    • Briefe Mozarts an Constanze zeigen Zuneigung, Witz und spielerische Intimität.
    • Keine Belege für „Ehekrisen“ oder dauerhafte Trennungen.
    • Kuraufenthalte (Constanze in Baden) waren gesundheitsbedingt und typisch für die
      Zeit.
    • Mozarts Sorgen in den Jahren 1790/91 waren finanziell, nicht ehelich.

    Fazit: Eine emotionale, aber stabile Ehe unter angespannter wirtschaftlicher Lage.

    💼 Nach  Mozarts Tod  (Dezember  1791 → 1842)

    • Mozart hinterließ Schulden und offene Forderungen. Constanze wurde gesetzliche Erbin.
    • „Nach Mozarts Tod ließ Constanze das angefangene Requiem zunächst von Joseph Eybler instrumentieren.
      Als dieser die Arbeit nicht vollendete, übergab sie das Manuskript an Franz Xaver Süßmayr, der die fehlenden Teile komponierte und das Werk im Frühjahr 1792 abschloss.“
    • Organisierte Benefizkonzerte und verhandelte mit Verlegern (Breitkopf & Härtel,
      André, Artaria).
    • Verkauf von Manuskripten in Etappen, zur Existenzsicherung, nicht aus Bereicherung.

    Bewertung: geschäftstüchtig und pragmatisch, aber nicht betrügerisch.

    📚 „Geschäfte  der  Constanze“ – Fakten  und  Grenzen

    BereichBelegtAnmerkung
    Verhandlungen mit Verlegernmehrfach dokumentiert
    Mehrfache
    Kopistenaufträge
    übliche Praxis um 1800
    Finanzielle Manipulation⚠️ NeinBehauptung (bspw. durch Heinz Gärtner, *1922)
    „Legendenbildung“ um den Tod⚠️ Teilweisespätere Biografen (Nissen, Niemetschek) bauten
    darauf auf

    Quellen und Literatur:

    • Otto Erich Deutsch, Dokumente zum Leben Mozarts, Kassel 1961.
    • H. C. Robbins Landon, The Golden Years, 1989.
    • Maynard Solomon, Mozart – A Life, 1995.
    • Cliff Eisen & Simon Keefe (Hg.), Cambridge Mozart Encyclopedia, 2006.
    • Wolf‑Dieter Seiffert, Rezension zu Heinz Gärtner, Mozart‑Jahrbuch 1987/88.
    • Niemetschek (1808); Nissen (1828); Jahn (1856).
    • Beitragsbild: Konstanze Mozart im Jahr 1982, Portrait von Josef Lange. Quelle: Wikipedia
  • Willkommen

    Willkommen

    Willkommen auf meiner privaten Website.

    Diese Site hier ist sehr neu – Herbst 2025. Inhalte kommen allmählich nach. Hier sammel‘ ich ein paar der Dinge, die mich im Laufe der Zeit beschäftigen. Aktuell sind das Mozart, Software-Entwicklung – naja…, und die Einrichtung des Servers, auf dem unter anderem diese Site läuft, die ihr gerade lest.

    Einen privaten Server aufzusetzen, das ist ein anregendes Projekt. Aber auch eines, das aktuell (mal wieder…) dafür sorgt, mich mit dem großen Themenkomplex Daten-/Server-/Netzwerk/-IT-Security zu beschäftigen.

    Leider gilt: Nichts davon ist trivial.

    Ein paar Ideen, Erlebnisse, Motivationen schreib‘ ich gelegentlich in diesen Blog: Zum einen für mich, zum Wiederholen und Rekapitulieren. Vielleicht auch für andere, die auf genau dieselben Fragen stoßen werden, wenn sie Server-Administration betreiben.

    Schwerpunkt wird die Welt der Kirchenmusik sein. Das immerhin ist das, was ich studiert habe, und was mir vertrauter ist als die Katakomben von kryptographischen Algorithmen und Server-Härtung.

    Wer auch immer sich hier her verirrt: Viel Spaß und viel Freude!